Beiträge zum CFS Colloquium
Herausgeber:
Jan Pieter Krahnen (Center for Financial Studies & Goethe-Universität Frankfurt)
Veröffentlicht im Fritz Knapp Verlag, Frankfurt am Main 2012. Im Buchhandel erhältlich. ISBN 978-3-8314-2620-1. Preis: 23,00 €.
Inhaltsverzeichnis:
- Dr. Joachim Faber: Trends und Strategien im Assetmanagement in Zeiten des Strukturwandels
- Dr. Wolfgang Schäuble: Über das Verhältnis von Staat und Finanzmarkt – Lehren aus der Krise
- Alexander Graf Lambsdorff: Europäische Integration in Zeiten der Staatsschuldenkrise – Projekt Europa in Gefahr?
- Prof. Dr. Michael Heise: Finanzkrisen im historischen Überblick und Lehren für die Zukunft
- Charles H. Dallara: Resolving the Strains in Europe: Near-Term Measures and Long-Term Prospekts
- Wolfgang Kirsch: Banking hat Zukunft, Banken auch
- Prof. Dr. Otmar Issing: Die Europäische Währungsunion auf dem Wege zur Fiskalunion?
- Gerd Häusler: Öffentlich-rechtlicher Bankensektor in Zeiten des Umbruchs
Vorwort:
Dieser Sammelband basiert auf Vorträgen, die 2011 im Rahmen der Reihe CFS Colloquium unter dem Oberthema „Staat und Finanzwirtschaft: Auf der Suche nach neuen Strukturen / Relationship between State and Financial Markets“ gehalten wurden.
Nach mehr als drei Jahren Bankenkrise und nach einem Übergreifen der Solvenzzweifel auf die Ebene einiger Staaten fängt der vorliegende Band als Momentaufnahme die Analysen und Folgerungen wichtiger Repräsentanten des privaten und des öffentlichen Finanzsektors ein.
Als Vertreter der Finanzindustrie äußern sich Dr. Joachim Faber, Vorstand der Allianz Global Investors, Wolfgang Kirsch, der Vorstandsvorsitzende der DZ Bank und Gerd Häusler, Vorstandsvorsitzender der Bayern LB. Von Seiten der volkswirtschaftlichen Begleitforschung kommen die Professoren Otmar Issing, Präsident des Center for Financial Studies, und Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz Gruppe, sowie Charles H. Dallara, der Direktor des Instituts für Internationale Finanzen (IIF) zu Wort. Die Standpunkte der Politik, die in dieser anhaltenden Krise Treiber und Getriebene zugleich sind, vertreten der Bundesminister der Finanzen Dr. Wolfgang Schäuble und Alexander Graf Lambsdorff, Mitglied des Europäischen Parlaments. Zusammengenommen ergibt sich das Bild einer sehr vielfältigen kritischen Auseinandersetzung über existierende Gefahren und mögliche Handlungsstrategien auf dem Weg zu einer erfolgreichen Wende des Krisenszenarios in ein gestärktes und stabiles reformiertes Nebeneinander von Staat und Finanzmärkten.
Joachim Faber skizziert die Rolle des Asset Managements in der neuen Finanzarchitektur. Faber zufolge sollte das Geschäftsmodell der Asset Managementfirmen globale Trends wie Bevölkerungsalterung und Klimawandel integrieren. Vor dem Hintergrund einer niedrigen makroökonomischen Wachstumsrate und hoher Finanzmarktvolatilität sind effizientes Risikomanagement, maßgeschneiderte Investmentlösungen, aktives Portfoliomamangement, nachhaltige Investmentstrategien und nicht zuletzt ein diversifiziertes Investmentportfolio wesentlich für eine erfolgreiche Umgestaltung.
Zu Beginn seines Beitrages über die Lehren aus der Finanzmarktkrise beleuchtet Wolfgang Schäuble deren direkte Ursachen, darunter den globalen Liquiditätsüberschuss, das schnelle Tempo der Finanzinnovation und die günstige Finanzierung als Folge einer laxen Geldpolitik. Konsequenz war der rasante Anstieg von Verschuldung und Vermögenspreisen in einem Umfeld nachlässiger Regulierung, begünstigt durch das allgemeine Vertrauen in die Effizienz der Kapitalmärkte. Schäuble betont die Verantwortung der Politik, das Krisenverschärfungspotenzial der Märkte zu mildern und die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum zu schaffen. Dazu gehören adäquate Anreizsysteme für die Vergütung und Haftungsübernahme der Finanzmarktakteure, strenge Finanzmarktaufsicht zum Beispiel durch robuste Eigenkapital- und Liquiditätsregeln sowie ein wirksamer Schutz der Steuerzahler und Sparer.
Alexander Graf Lamsdorff präsentiert in seinem Beitrag mögliche Lösungsansätze für die Staatsschuldenkrise. Seiner Auffassung nach ist die ökonomische Krise der EU gleichzeitig eine Legitimationskrise. Die Bewältigung der Schuldenkrise ist danach wichtig für die Wiederherstellung des Vertrauens in die europäischen Institutionen. Einer Schuldenkrise sollte zukünftig durch die Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes vorgebeugt werden, wobei früh greifende, quasi automatische Sanktionen für Staaten mit lockerer Haushaltsdisziplin wesentlich sind. Zusätzlich sollten politisch unabhängige Institutionen wie die European Financial Stability Facility (EFSF) eine zeitlich beschränkte finanzielle Unterstützung sichern. Mittelfristig sollten die Anreize für gezielte Reformen für Länder mit geringer Wettbewerbsfähigkeit geschaffen werden. Lamsdorff endet mit einem Appell für mehr Konvergenz auf EU-Ebene, da nach seiner Ansicht zu wenig und nicht zu viel Europa die Staatsschuldenkrise ermöglicht hat.
Michael Heise vergleicht die große Depression der Dreißiger Jahre mit der Rezession von 2008-2009, wobei er sowohl die unterschiedlichen Ursachen als auch die jeweilige Reaktion der Politik näher beleuchtet. Die Reaktion auf die Krise vor achtzig Jahren bestand in einer restriktive Geldpolitik als Folge des Goldstandards und einer kontraktiven Fiskalpolitik, die die Ankurbelung der Nachfrage vernachlässigte. Die Folge waren massive Bankpleiten, da Staatshilfen für systemisch relevante Banken zur damaligen Zeit nicht in Frage kamen. Dem allgemeinen Wettlauf in den Protektionismus der Dreißiger Jahre wurden achtzig Jahre später eine expansive Geld- und Fiskalpolitik sowie EU-weite koordinierte Rettungsaktionen für die Banken entgegengesetzt, wodurch die Staatsverschuldung dramatisch angestiegen ist. Heise weist abschließend darauf hin, dass der Schuldenabbau der Staaten mittelfristig durch höheres Wachstum, Sparmaßnahmen, explizite Schuldenstreichung und/oder höhere Inflation herbeigeführt werden kann.
Charles H. Dallara schildert in seinem Vortrag die wichtigsten Herausforderungen, die sich für europäische Politiker in den letzten Jahren abzeichneten: die Regulierungsreform im Finanzsektor, die Koordination der Wirtschaftspolitik auf globaler Ebene zur Reduzierung internationaler Leistungsbilanzungleichgewichte sowie Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung im Rahmen eines effizienten Managements der Staatsschuldenkrise. Er beschreibt die institutionellen Aspekte der EU, die – zusammen mit der laxen Fiskalpolitik und den strukturellen Schwächen in Griechenland und Portugal – die Schuldenkrise in diesen Staaten gefördert haben. Dallara lobt die effektive Reaktion der EU, vor allem durch die Einführung des EFSF (s. oben), die Verschärfung der Sanktionen für die Missachtung des Wachstumspaktes und nicht zuletzt die Einführung eines neuen Mechanismus zur makroökonomischen Überwachung. Er bemängelt wiederholte Verzögerungen beim politischen Entscheidungsprozess der EU, die die Unsicherheit der Märkte gefördert haben. Er endet mit einer positiven Bewertung der Einbeziehung privater Gläubiger in die Diskussion um die Restrukturierung der griechischen Staatsschulden.
Vor dem Hintergrund der Finanzkrise stellt sich für Wolfgang Kirsch die Frage nach der Notwendigkeit von Banken für die Gesellschaft. Er erklärt in seinem Beitrag, dass Banken wichtig für die Gesellschaft sind, insoweit sie als Finanzintermediäre Mehrwert schaffen und der Realwirtschaft dienen. Zukünftig sollten Banken demographische Entwicklungen und die Änderung des Kundenverhaltens als Chance sehen. Wichtig in diesem Zusammenhang sei eine effiziente Regulierung, die das Finanzsystem stabilisiert. Kirsch lobt die Fortschritte, die bisher in dieser Richtung erreicht wurden, so zum Beispiel das Bankenrestrukturierungsgesetz, weist aber hin auf die Wettbewerbsverzerrungen, die durch international unkoordinierte Regulierungsinitiativen entstehen können. Er zeigt sich zuversichtlich gegenüber der Zukunft der Banken, insbesondere der genossenschaftlichen Banken, und zwar ungeachtet der regulierungsbedingten Kosten, die Basel III, die Bankenabgabe und die Reform der Einlagensicherung für den deutschen Mittelstand bedeuten könnten.
Otmar Issing beschäftigt sich in seinem Vortrag zur Krise der Währungsunion mit deren Ursachen, der Diskussion um eine Fiskalunion und den Beschlüssen des Europäischen Rates vom 9. Dezember 2011. Als wichtigste Ursachen für die gegenwärtige Krise nennt er die unterschiedliche Entwicklung von Preisen und Lohnstückkosten innerhalb der Währungsunion mit der Konsequenz divergierender Wettbewerbsfähigkeit und wachsender Leistungsbilanzsalden, den ungehemmten Boom im Immobiliensektor einzelner Länder, die wiederholte Verletzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und das damit einhergehende Scheitern politischer Kontrolle sowie Schwächen in Regulierung und Aufsicht insbesondere grenzüberschreitender Bankaktivitäten. In diesem Zusammenhang begrüßt Issing die beim EU-Gipfel Anfang Dezember 2011 beschlossenen Vorhaben zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen, auch wenn sie sich erst noch bewähren müssen. Zugleich weist er auf die fundamentale Bedeutung von strukturellen Reformen hin. Eine Fiskalunion hält er nur im Rahmen einer Politischen Union für angemessen, weil die demokratische Legitimation gewährleistet sein muss. Angesichts bekannter Schwierigkeiten sieht er die Umsetzung dieses Vorhabens und die damit verbundene Änderung des Vertrags bzw. den Abschluss eines neuen Vertrags sehr skeptisch.
Gerd Häusler schildert die wichtigsten regulatorischen Entwicklungen in den letzten Jahren und deren Folgen für das Geschäftsmodell der deutschen Landesbanken, insbesondere der Bayern LB. Der Anstieg der Refinanzierungskosten als Folge der verschärften Kapitalanforderungen kann durch die Anpassung der Kostenstruktur an die Ertragspotentiale, die klare Konzentration auf Kernkompetenzen und eine stärkere Ausrichtung der Geschäfte an die Realwirtschaft ausgeglichen werden. Die Europäisierung von Regulierung und Aufsicht stellt eine Herausforderung für den Fortbestand des Haftungsverbundes als deutsches Sondermodell dar. Angesichts der hohen Bedeutung der Sparkassen für die Refinanzierung der Bayern LB stellt sich die Frage, inwieweit die europäischen Behörden die Haftungsverbünde im öffentlich-rechtlichen Bankensektor den konzernstrukturierten Bankengruppen gleichstellen. Nachteile einer Gleichstellung wären die Eigenkapitalunterlegung für Forderungen zwischen Verbundinstituten und eine Anrechnung von Großkreditobergrenzen. Häusler betont, dass die strategische Antwort auf diese Unsicherheiten die Stärkung des Verbundes sein muss, andernfalls bietet sich ein Geschäftsmodell ähnlich dem einer Investmentbank als einzige Alternative.